Fragen & Antworten
Ausgangslage
Mit der Planung «Bahnhof West» soll in der Gemeinde Münsingen in unmittelbarer Bahnhofnähe ein architektonisch und sozial vielfältiges Quartier entstehen. Auf einer Fläche von 3,4 Hektaren wird eine nachhaltige und hochwertige Zentrumsentwicklung mit einer gemischten Nutzung aus Wohnen, Gewerbe und Detailhandel angestrebt. Die Gesamtplanung verfolgt das Ziel, eine ortsbaulich und energetisch zeitgemässe sowie klimaangepasste Überbauung zu schaffen, attraktive Freiräume zu gestalten und das bestehende Wohn- und Dienstleistungsangebot in der Gemeinde optimal zu ergänzen.
Die Planung über die Grundstücksgrenzen hinweg stellt sicher, dass am Ende des Prozesses eine schlüssige und gut gestaltete Gesamtüberbauung steht. Gleichzeitig wird eine etappierte Umsetzung in den einzelnen Gebietseinheiten ermöglicht. Die Gesamtplanung bringt die Bedürfnisse der Gemeinde und der beteiligten Grundeigentümer sowie den ortsbaulichen Qualitätsanspruch unter einen Hut. Die verschiedenen Grundeigentümerschaften sind in der Projektträgerschaft durch die Bay Projektentwicklung West AG vertreten.
Die ständige Wohnbevölkerung der Gemeinde von heute rund 13 100 Personen ist um 140 Personen tiefer als noch im September 2023. Sie wird durch die verhältnismässig schwache Bautätigkeit bis 2030 nur schwach zunehmen – um schätzungsweise rund 300 Personen. Das ist deutlich weniger als im Rahmen der letzten Ortsplanungsrevision erwartet und liegt weit unter den Erwartungen der regionalen Richtplanung und des Kantons. Münsingen ist aber auf ein gewisses Bevölkerungswachstum angewiesen.
Ein moderates, qualitatives Wachstum dient der gesunden Entwicklung der Gemeindefinanzen, der Finanzierung der geplanten Investitionen sowie der guten Auslastung der Infrastrukturen. Die Gemeinde plant die Infrastrukturen so, dass sich zusätzliche Anforderungen abdecken lassen. Geplanter Baustart für die Überbauung Bahnhof West ist um 2030. Wird das gesamte bauliche Potential in diesem Gebiet ausgeschöpft, nimmt die Bevölkerung – über eine Dauer von mindestens 10 Jahre verteilt – um insgesamt rund 5 % zu. Ein so moderates Wachstum ist gut verträglich.
Die Nachfrage nach Wohnraum ist hoch, gleichzeitig ist die Zahl der leeren Wohnungen in der Gemeinde sehr tief – mit einem Leerwohnungsbestand von aktuell 0,3 Prozent herrscht in Münsingen laut gängiger Definition Wohnungsnot. Das neue Quartier erweitert und ergänzt das heutige Wohnangebot. In der neuen Überbauung sollen Familien ebenso eine geeignete Wohnung finden wie Paare, Alleinstehende oder Wohngemeinschaften, sei es zur Miete oder zum Kauf. Mit einem Anteil von 10% oder rund 30 bis 35 Wohnungen in Kostenmiete leistet das neue Quartier einen direkten Beitrag zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum. Generell dämpft die Schaffung zusätzlicher Wohnungen die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt.
Die aktuell gültigen Bauvorschriften der Zone mit Planungspflicht (ZPP) B «Bahnhof West» stammen im Kern aus dem Jahr 1993 und wurden 2011 angepasst. Sie entsprechen nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Die Überarbeitung ermöglicht es, dem neuen Quartier mit charaktervollen Bauten eine klar erkennbare und attraktive Silhouette zu verleihen. Dafür braucht es punktuell höhere Gebäude, die durch ihre Abstufung sorgfältig in die Umgebung eingefügt sind. Das Gebiet ist prädestiniert, entlang der Bahnlinie höhere Gebäude bis maximal 30 Meter zu erstellen. Auch die beiden Hochpunkte an der Industriestrasse sind nicht höher als 30 Meter. Im Rückraum sind die Gebäude deutlich niedriger und schaffen so einen verträglichen Übergang ins Quartier. Ein externes Expertengremium bestätigt diese Lösung als geeigneten Weg, um dem Quartier ein eigenständiges und lebendiges Profil zu geben. Ebenso soll mit der Änderung der Bestimmungen zur Zone mit Planungspflicht ZPP B «Bahnhof West» und damit des Baureglements und des Zonenplans eine klimaverträgliche Siedlung ermöglicht werden.
Um eine rein formelle Anpassung handelt es sich bei der neuen ZPP Sägeweg: Für dieses Gebiet gelten weiterhin die bisherigen Bestimmungen. Die Anpassung wird nötig, weil dieser Sektor nicht Teil der geplanten Arealentwicklung ist und deshalb zwei unterschiedliche ZPP nötig sind. Die nicht mehr benötigten Bestimmungen, welche die Arealentwicklung Bahnhof West betreffen, werden gestrichen.
Standort
Das zwischen der Belpbergstrasse und dem Wohn-, Alters- und Pflegeheim Senevita liegende Gebiet weist heute einen hohen Anteil an ungenutzten versiegelten Flächen und Gebäuden mit geringer Geschosszahl auf. Aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum Bahnhof und zum Dorfkern zählt das Areal in der Gemeinde zu den wichtigsten Entwicklungsgebieten innerhalb der Bauzone. Die geplante Siedlungsentwicklung nach innen ist ein Paradebeispiel für kluge bauliche Verdichtung am richtigen Ort – wenn nicht hier, wo dann?
Zusätzlicher Wohn- und Arbeitsraum entsteht nicht auf der grünen Wiese, sondern auf einem bereits genutzten Areal an bestens erschlossener Lage. Bestehende Infrastrukturen werden noch besser ausgelastet und gleichzeitig unbebaute Flächen ausserhalb des Siedlungsgebiets geschont. Mit publikumsorientierten Nutzungen entlang der attraktiv gestalteten Industriestrasse und neuen Verbindungen für den Fuss- und Veloverkehr stärkt das neue Quartier die gleisübergreifende Zentrumsbildung. Die zentrale Lage des neuen Quartiers mit kurzen Wegen bietet auch die Chance für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten.
Das im qualitätssichernden Verfahren beigezogene unabhängige Fachgremium ist zum Schluss gekommen, dass sich die neue Überbauung optimal in die bestehende Ortsstruktur und das Ortsbild einfügt. An prominenter Lage an der Bahn entsteht ein architektonisch vielfältiges Quartier mit charaktervollen Gebäuden. Vom Zug und den Perrons aus ist entlang der Industriestrasse eine abwechslungsreiche Silhouette zu sehen, die sich von der Sägegasse bis zur Belpbergstrasse erstreckt; zwei Hochpunkte markieren die wichtigsten Verbindungen ins Dorf. Dank angemessenen Gebäudelängen entsteht eine durchlässige Front, die Einblicke in die dahinterliegenden grünen Freiräume gewährt und gleichzeitig als Lärmriegel dient.
Das Gebäudeensemble nimmt die charakteristische Atmosphäre der ins Grüne eingebetteten Produktionsbetriebe auf. Hinter der ersten Gebäudelinie sind in der zweiten Reihe mehrere Gebäude gruppiert, in unterschiedlichen Abständen und mit individuellen Formen und Eigenschaften. Dank ihrer Vielfalt und abnehmenden Höhe schaffen die Gebäude einen harmonischen Übergang ins bestehende Quartier.
Die «Filzi» an der Industriestrasse 4 – die legendäre Filzfabrik, die ab 1919 jahrzehntelang Filzbahnen und auch Filzpolster für Stühle und Pferdesättel herstellte – soll nach Möglichkeit erhalten bleiben. Laut dem Bauinventar der Gemeinde zählt die «Filzi» zwar weder zu den erhaltens- noch schützenswerten Bauten, doch das Gebäude hat für den Ort einen hohen identitätsstiftenden Wert. Ob der Erhalt gelingt, hängt von der Bausubstanz (Erdbebensicherheit, Schadstoffe, energetischer Zustand etc.) und von der Frage ab, wie aufwändig und kostenintensiv eine Sanierung wäre. Auch gilt es zu klären, welche Nutzungen eine sanierte «Filzi» zuliesse und in welchem Verhältnis diese Möglichkeiten zu den Sanierungskosten stünden.
Ein allfälliger Ersatzneubau müsste sich im Charakter und in der Volumetrie an der heutigen «Filzi» orientieren und gestalterisch ebenbürtig sein. Ob die alte oder neue «Filzi»: Das Gebäude spielt für das Erscheinungsbild des neuen Quartiers eine Schlüsselrolle. Ihre Besonderheit machen die Lage, der industrielle Ausdruck und die niedrigere Gebäudehöhe aus, die wesentlich zur Bildung der attraktiven Silhouette an der Industriestrasse beiträgt und räumliche Tiefe in den Innenbereich erzeugt. Ein allfälliger Ersatzneubau sollte dennoch keine Rekonstruktion des heutigen Gebäudes sein: Der industrielle Charakter der «Filzi» wäre vielmehr neu zu interpretieren und in die heutige Zeit zu übersetzen.
Den prägenden Merkmalen wie etwa den Fassadenöffnungen und der Sichtbarkeit der verwendeten Materialien müsste dabei Rechnung getragen werden. Bei der Planung wäre ein anerkanntes qualitätssicherndes Verfahren durchzuführen (Studienauftrag nach SIA 143 mit mehreren Teams). Nur falls das beigezogene Beurteilungsgremium einverstanden wäre, dürften die Fassadenhöhen gegenüber heute um 10 Prozent erhöht werden.
Der Gewerbebetrieb Martignoni produziert auch weiterhin. Die Planungsvorlage sichert jedoch die Möglichkeit, auch diesen Bereich baulich neu zu entwickeln. Eine Aufgabe und/oder Verlagerung des Kunststoff-Spritzguss-Betriebs steht derzeit aber nicht zur Diskussion. Der Gewerbebau «Martignoni» am Dorfmattweg 5 bleibt somit auch langfristig bestehen. Das kommunale Bauinventar weist das Gebäude als erhaltenswert aus.
Die Verkehrserschliessung erfolgt über die neu gestaltete Industriestrasse. Diese ist zusammen mit der Entlastungsstrasse Nord (Rossbodenstrasse) Teil der Verkehrslösung Münsingen und entlastet das Zentrum vom Verkehr. Die neue Linienführung der Industriestrasse schliesst die verbleibende Netzlücke und verbindet die Entlastungsstrasse Nord mit der Belpbergstrasse. So wird der Ortsteil West ohne Zentrumsdurchfahrt an die Bernstrasse angeschlossen. Die neue Lage der Industriestrasse ist mit den aktuell bekannten SBB-Plänen für den Bahnhofausbau koordiniert: Die vorgesehenen Publikumsanlagen ermöglichen attraktive Verknüpfungen und verbessern für den Fuss- und Veloverkehr den Zugang zum Bahnhof. Die Verkehrsbelastung am Knoten Industriestrasse / Belpbergstrasse wurde im Detail geprüft und lässt sich mit einer neuen Vortrittsregelung optimieren.
Die Überbauung Bahnhof West stellt kein verkehrsintensives Vorhaben im Sinne des kantonalen Rechts dar. Das durch die neuen Nutzungen ausgelöste Verkehrsaufkommen beträgt laut Fachbericht Mobilität rund 900 Fahrten für Wohnen und 1900 Fahrten für übrige Nutzungen. Der Neuverkehr wird einen Teil des bestehenden Verkehrs ersetzen.
Um die bessere Nutzung des Areals zu ermöglichen, werden acht bestehende Gebäude durch 9 Neubauten ersetzt. Die zwei höchsten Neubauten an der Industriestrasse zählen 9 Vollgeschosse und sind 30 m hoch. Je zwei Gebäude haben sieben Vollgeschosse (23 m und 24 m), sechs Vollgeschosse (20 m und 21 m) und fünf Vollgeschosse (17 m und 18 m). Zurückgebaut wird etwa das heutige Jumbo-Gebäude, das durch einen Neubau ersetzt wird. Weitere drei Gebäude entlang der Bahnlinie werden ebenfalls weichen. Grund für den Rückbau ist der Ausbau der Bahn. Die SBB planen am Bahnhof Münsingen ein viertes Gleis inklusive Perron: Der bahnabgewandte äussere Rand der beanspruchten Flächen wird mitten durch die Gebäude führen. Nimmt das SBB-Ausbauprojekt alle Hürden, starten die Bauarbeiten nach heutigem Kenntnisstand 2032 und dauern rund fünf Jahre.
Gemäss dem Fachbericht Mobilität ist die Zusatzbelastung auf dem Basisnetz unproblematisch. Denn der durch die Überbauung ausgelöste Verkehr führt nicht durch Quartierstrassen, sondern über die neu geführte Industriestrasse. Geschäfte mit den allermeisten Produkten des täglichen Bedarfs sind zu Fuss, per Velo oder mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut erreichbar. Deshalb ist von einem eher tiefen Anteil an motorisiertem Individualverkehr auszugehen.
Projekt
Geplant sind hauptsächlich 2,5- bis 4,5-Zimmerwohnungen zur Miete oder im Eigentum. Damit finden hier Paare und Alleinstehende – jüngere wie ältere – ebenso eine geeignete Wohnung wie Familien und Wohngemeinschaften. Das breit gefächerte Wohnungsangebot für unterschiedliche Bedürfnisse sorgt für ein sozial vielfältiges Quartier. Mit einem Anteil von 10% von Wohnungen in Kostenmiete leistet das neue Quartier einen direkten Beitrag zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum. Generell dämpft neues Wohnraumangebot die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt.
Denkbar sind etwa Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomiebetriebe, Kleingewerbe und Ateliers. Am Standort des heutigen Jumbo wird wieder ein Detailhandelsgeschäft einziehen, womit die für Kleinbetriebe wichtige Laufkundschaft vorhanden ist. Durch die zentrale Lage und die Nähe zum Bahnhof bietet der Standort puncto Erreichbarkeit und Sichtbarkeit attraktive Bedingungen für Dienstleistungen und Detailhandel. Die 300 bis 350 neuen Wohnungen sorgen für lokale Kundschaft. Welche Nutzungskonzepte am Ende umgesetzt werden, wird sich in der Vermietungsphase zeigen. Mit der Zeit wird sich eine Nutzung etablieren, die zum Ort passt.
Die Vorzonen zwischen Industriestrasse und Gebäuden resp. Bahn werden mit Bäumen bepflanzt. Daneben entsteht im Innern des Quartiers ein grosser Grünraum. Dieser Bereich ist als halböffentlicher Raum konzipiert, bietet Platz für Erholung und Begegnung und beinhaltet eine grössere Spielfläche. Insgesamt besteht ein grosser Teil des neuen Quartiers aus zugänglichen Freiräumen unterschiedlicher Art (inklusive Kinderspielplätze).
Bis auf einige wenige Kurzzeitparkplätze an der Industriestrasse befinden sich die Autoabstellplätze in Tiefgaragen. Die Zu- und Ausfahrten der Einstellhallen konzentrieren sich an drei Stellen: an der Industriestrasse, der Belpbergstrasse und dem Dorfmattweg. Letztere dient ausschliesslich den Bewohnerinnen und Bewohnern der Überbauung. Die Eckwerte zur Parkierung richten sich nach dem Gemeindebaureglement. Dieses reduziert die Bandbreite der Anzahl zulässiger Autoparkplätze gegenüber der kantonalen Bauverordnung um 50 Prozent. Pro Wohnung gibt es somit minimal 0.25 Parkplatz und maximal 1 Parkplatz. Pro 100 m2 Gewerbefläche dürfen maximal 5 Parkplätze angeboten werden. Die konkrete Anzahl Parkplätze wird in der weiteren Projektentwicklung festgelegt und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Anzahl Wohnungen, Wohnungsmix, Nutzungsprofil, bautechnische Anforderungen im Untergrund, Grundwasser etc.
Für Velos sind Abstellplätze mit Witterungsschutz vorgesehen sowie Plätze im Inneren der Gebäude. Münsingen verfügt über ein dichtes Netz an Velorouten sowie eine gute Anbindung an das regionale Velowegnetz. Kurze innerörtliche Distanzen und die günstige Topografie im Zentrum sowie im Ortsteil West fördern die Velonutzung zusätzlich. Deshalb ist die Nachfrage nach Veloabstellplätzen hoch. Gestützt auf die Norm des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) und das Handbuch «Veloparkierung» des Bundesamts für Strassen wird darum die Vorgabe für Veloabstellplätze auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmt und gegenüber den Mindestbestimmungen der kantonalen Gesetzgebung erhöht. Verlangt wird ein Veloabstellplatz pro Zimmer. Die ZPP-Bestimmungen gehen damit deutlich weiter als die Mindestvorgaben im kantonalen Baugesetz. Die Anzahl Veloabstellplätze wird in der weiteren Projektentwicklung definitiv festgelegt.
Für den Fuss- und Veloverkehr ist ein engmaschiges Wegenetz zur Erschliessung der einzelnen Gebäude vorgesehen. Das ermöglicht die optimale Anbindung des Gebiets an den Bahnhof und den östlichen Ortsteil. Durch die Siedlung führt von Nord nach Süd ein öffentlicher Fussweg. Die Industriestrasse ist eine wichtige kommunale und kantonale Veloverbindung und wird auch für den Fussverkehr attraktiv gestaltet. Sie wird in die bestehende Tempo-30-Zone integriert. Die Industriestrasse erhält beidseitig Trottoirs und der Dorfmattweg südseitig ein neues Trottoir. Zur Bahn gelangt man via die neue Personenunterführung Süd, die gestalterisch an das Quartier angebunden wird.
Die Anlieferung für grössere Gewerbe- und Detailhandelsflächen erfolgt grundsätzlich über die Industriestrasse in den West-Ast (Diagonale) und anschliessend zur Belpbergstrasse. Der West-Ast ist der Anlieferung/Zubringer im Einbahnsystem und dem Langsamverkehr (beide Richtungen) vorbehalten. Es wird ein Fahrverbot für motorisierte Fahrzeuge signalisiert. Das Manövrieren von Lastwagen und Sattelschlepper zur Andockstelle erfolgt grundsätzlich auf den Privatparzellen und somit ausserhalb des öffentlichen Strassenraumes.
Auf einer Fläche von rund 3,4 Hektaren entstehen langfristig neun neue Gebäude mit 300 bis 350 Wohnungen für rund 600 bis 700 Einwohnende. Beidseitig der Strassen angeordnete Bäume und multifunktional nutzbare Vorzonen machen die verlegte Industriestrasse zum belebten Strassen- und Begegnungsraum. Die Sockelgeschosse der Gebäude bieten attraktive Standorte für Gewerbe, Dienstleistungen und Detailhandel. Drei kleine Plätze – an den Einmündungen zu Dorfmattweg, Belpbergstrasse und zum West-Ast der Industriestrasse – eignen sich als Standorte für ein Café oder einen Quartiertreff und laden zum Verweilen und zum Austausch ein. Die mittel- bis grosskronigen Bäume entlang der Industriestrasse und entsiegelte Flächen sorgen für ein verträgliches Lokalklima.
Für die Belebung der Industriestrasse nach Ladenschluss wäre ein Gastronomiebetrieb ideal. Die Voraussetzungen dazu sind neu vorhanden . Zudem ist denkbar, dass kulturelle oder freizeitbezogene Nutzungen abends Menschen anziehen – beispielsweise in der «Filzi», falls sie erhalten werden kann. Die geplanten attraktiven Aussenräume und die als öffentlicher Begegnungsraum gestaltete Industriestrasse bringen ebenfalls Leben ins Quartier.
Die neuen Fuss- und Velowege sowie attraktive Grünräume machen das Quartier zu einem gut intergierten und belebten Teil von Münsingen. Zum Kernstück der besseren Verbindung zwischen dem westlichen und östlichen Teil des Zentrums wird die neue Personenunterführung Süd. Dank der neuen Fuss- und Velowege sind der Bahnhof, das Dorfzentrum und der Osten des Ortes auch von der Seite «Belpbergstrasse» her leichter erreichbar. Insbesondere wird das Quartier Eigermatte mit einer Verbindung durchs Areal direkt an den Bahnhof angeschlossen.
Nachhaltigkeit und Energie
Die Neubauten werden an die Fernwärme angeschlossen; falls diese bis zum Zeitpunkt des Baugesuchs noch nicht erneuerbar ist, kommen auch andere Lösungen infrage. Die Hauptleitungen der Fernwärmeversorgung bestehen bereits. Erdsonden sind nicht möglich. Für die Stromerzeugung werden auf den Dächern – und womöglich auch an Fassaden – Photovoltaikanlagen installiert.
Die für das Gebiet gültige neue Zone mit Planungspflicht schreibt vor, dass erhöhte Anforderungen an die Energieeffizienz, die Gebäudehülle, die Energieversorgung und die graue Energie zu erfüllen sind; sie orientieren sich grundsätzlich an den strengen Vorgaben des Baureglements und des kantonalen Energiegesetzes. Die konkreten Bestimmungen und Massnahmen werden später in den jeweiligen Teil-Überbauungsordnungen festgelegt. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die technische und gesetzliche Entwicklung im Bereich der Energieeffizienz rasant ist und in den einzelnen Sektoren des Gebiets etappiert gebaut wird.
Das neue Quartier wird nach dem Prinzip der Schwammstadt gestaltet, um ein angenehmes Mikroklima zu gewährleisten: Möglichst viel Regenwasser soll zurückgehalten, versickert und verdunstet werden. Das kühlt an heissen Tagen die Luft und entlastet bei Starkregen die Kanalisation. Dazu tragen die schattenspendenden, mittel- und soweit möglich grosskronigen Bäume entlang der Industriestrasse ebenso bei wie versickerungsfähige Beläge, offene Grünflächen und begrünte Dächer. Zu einem späteren Zeitpunkt wird auch die Begrünung von Fassaden geprüft. Bei der weiteren Planung ist im Detail abzuklären, welche Bereiche nach der Überbauung des Areals versickerungsfähig sind.
Die bessere Nutzung des Areals entspricht dem Gebot des haushälterischen Umgangs mit der knappen Ressource Boden: Statt auf der grünen Wiese zu bauen, wird für die Schaffung von neuen Wohn- und Gewerbeflächen ein bereits bebautes Gebiet verdichtet. Auch mit Blick auf die Mobilität ist das neue Quartier ressourcenschonend. Die Nähe zum öffentlichen Verkehr und die kurzen Wege reduzieren gegenüber einer Überbauung an einem weniger geeigneten Standort das Verkehrsaufkommen und vermeiden CO₂-Emissionen.
Die Anzahl Autoparkplätze ist geringer als in weniger gut erschlossenen Arealen. Die Neubauten müssen erhöhte Anforderungen an die Energieeffizienz, die Gebäudehülle, die Energieversorgung und die graue Energie erfüllen. Das Ziel ist eine Überbauung, die im umfassenden Sinn nachhaltig ist. So fördern begrünte Aussenräume die Artenvielfalt; die Details dazu werden in den Überbauungsordnungen und den Baugesuchen geregelt. Ebenso entstehen wertvolle Orte für den sozialen Austausch, inklusive Spielflächen und Kinderspielplätze.
Nutzen für die Gemeinde
Die Gemeinde Münsingen will ein attraktives regionales Zentrum sein, das Jung und Alt ein reichhaltiges Wohnangebot und hohe Lebens- und Siedlungsqualität bietet – ein städtischer Begegnungsort mit vielfältigen Arbeitsplätzen und prosperierenden Betrieben. Die Gemeinde soll sich erneuern und dabei verantwortungsbewusst mit den Ressourcen und der Natur umgehen. Die Planung «Bahnhof West» steht in Einklang mit diesen Zielen im Leitbild der Gemeinde und ist für die Weiterentwicklung Münsingens ein Schlüsselprojekt.
Das neue Quartier bietet zentrumsnah dringend benötigten Wohnraum und Platz für Einkauf, Gastronomie und Gewerbe und schafft sicheren und attraktiven öffentlichen Raum. Geringer Fussabdruck pro Kopf, Gebäude nach neustem energetischen Standard, Schwammstadtprinzip, hoher Anteil an emissionsfreier Mobilität: Die Überbauung entspricht den Zielen der Gemeinde für eine ressourcenschonende Weiterentwicklung. Sie unterstützt die Umsetzung der Berner Energiestrategie, indem sie die Vorgaben des kommunalen Richtplans Energie 2022, die Ziele des Labels Energiestadt Gold sowie die kantonale Energiegesetzgebung berücksichtigt. Die Überbauung wertet das Gebiet westlich des Bahnhofs auf, stärkt die gleisübergreifende Zentrumsbildung und wird zum lebendigen Teil Münsingens.
Unter dem Strich ist mit einem positiven Effekt zu rechnen. Die Grundeigentümer werden eine Abgabe für die Planungsmehrwerte bezahlen, die aufgrund der höheren Nutzung des Gebietes entsteht. Eine erste Berechnung ergibt eine Mehrwertabgabe an die Gemeinde von 7 bis 10 Mio. Franken. Das Geld fliesst in eine Spezialfinanzierung und wird insbesondere dafür verwendet, Infrastrukturanlagen zu finanzieren. Definitiv festgelegt wird die Höhe der Mehrwertabgabe zum Zeitpunkt der Plangenehmigung. Die dannzumaligen Landwerte werden die Grundlagen der Berechnung sein. Die zusätzlichen Einwohnerinnen und Einwohner erhöhen das Steuersubstrat jährlich um schätzungsweise rund 1 Mio. Franken.
Die gemeindeseitigen steuerfinanzierten Infrastrukturkosten halten sich mit netto rund 4 bis 5 Mio. Franken in Grenzen. Die Gesamtkosten für die Basiserschliessung (Infrastrukturen Industriestrasse, Werke, Landerwerb für Strasse, Planungskosten, Risikoposition) belaufen sich gemäss aktuellem Verfahrensstand auf rund 12.3 Mio. Franken. Zusätzlich wird die Gemeinde den Landanteil für den Bahninfrastrukturausbau der SBB im Umfang von rund 3 bis 3.5 Mio. vorfinanzieren, was ein Gesamttotal von rund 15.3 bis 15.8 Mio. Franken ergibt.
Die Projektträgerschaft / Grundeigentümer beteiligen sich mit rund 4 bis 4.5 Mio. Franken an den Infrastrukturkosten und erstatten diese an die Gemeinde zurück. Ebenfalls fliesst der vorfinanzierte Betrag für den Landanteil SBB von rund 3 bis 3.5 Mio. später an die Gemeinde zurück. Somit verbleibt aktuell der Gemeinde ein Kostenanteil von 8.5 Mio. Franken, wobei die tatsächlichen Kosten nach Abzug eines Beitrags aus dem Agglomerationsprogramm des Bundes wie erwähnt rund 4 bis 5 Mio. Franken betragen. Die detaillierten Anteile sind in der weiteren Projektentwicklung auszuhandeln.
Die Arealentwicklung wertet das Gebiet westlich des Bahnhofs erheblich auf, wovon alle Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde profitieren. Entlang der Industriestrasse entstehen publikumsorientierte Nutzungen wie Einkauf und Gastronomie, die die Aufenthaltsqualität und Attraktivität des Bahnhofgebiets erhöhen. Ein neu gestalteter öffentlicher Raum sowie zusätzliche Grün- und Spielflächen schaffen Orte für Begegnung und Erholung, die teilweise allen offenstehen. Neue Räume für Kleingewerbe und Ateliers beleben das Quartier zusätzlich und stärken die Vielfalt. Dank neuer Fuss- und Velowege sind der Bahnhof, das Dorfzentrum und der Osten des Ortes leichter erreichbar. Insbesondere wird das Quartier Eigermatte mit einer Verbindung durchs Areal direkt an den Bahnhof angeschlossen.
Mit der Neugestaltung der Industriestrasse gibt es künftig einen attraktiven und lebendigen Aussenraum und direkte Zugänge zum Bahnhof-Perron – davon haben alle umliegenden Quartiere einen Nutzen. Von der Lärmschutzwirkung des neuen Quartiers profitieren zudem angrenzende Wohnlagen.
Mit der laufenden Schulraumplanung will die Gemeinde sicherstellen, dass auch in Zukunft genügend Fläche und Räume für einen zeitgemässen Unterricht zur Verfügung stehen. Nach einer Analyse der Ausgangslage veröffentlichte die Gemeinde 2024 die ersten Erkenntnisse (Strategie-Teilbericht). Die geplanten neuen Wohnungen im Gebiet Bahnhof West sind in den Prognosen berücksichtigt.
Langfristig ist aufgrund der dortigen Überbauung mit rund 600 bis 700 zusätzlichen Einwohnenden, wovon erfahrungsgemäss rund 10 Prozent Schülerinnen und Schüler sind. Entsprechend rechnet die Gemeinde langfristig mit mindestens 50 bis 60 zusätzlichen schulpflichtigen Kindern über alle 11 Schuljahre verteilt (inkl. Kindergarten). 350 Wohnungen entsprechen 2% des Wohnungsbestands. Die Anzahl Schulkinder (alle Zyklen) gehen laut aktuellen Prognosen ab 2027 für die nächsten Jahre zurück. Bis 2032/33 werden 5 Schulklassen weniger als heute erwartet. Der Bedarf an Fläche nimmt jedoch zu, was die Schulraumplanung berücksichtigt.
Die Grundeigentümer übernehmen die gesamten Kosten für die Detailerschliessung und leisten Beiträge an die Erstellung der Basiserschliessung (v.a. Industriestrasse). Die Infrastrukturanlagen in spezialfinanzierten Bereichen wie Wasser, Abwasser, Elektrizität und Wärme werden durch die Gemeinde und die öffentlich-rechtlichen InfraWerke Münsingen erstellt. Die Kosten fliessen über spätere Anschlussgebühren aus der Überbauung wieder zurück. Die Gemeinde investiert in die Industriestrasse und die Anpassungen der Belpbergstrasse, da es sich hierbei um grundlegende Basiserschliessungen handelt. Die Kostenteilung wird in einem Infrastrukturvertrag verbindlich geregelt.
Nächste Schritte
Der Gemeinderat hat am 29. Oktober 2025 die für die Realisierung der Überbauung nötige Änderung der Bestimmungen zur Zone mit Planungspflicht ZPP B «Bahnhof West» zuhanden der öffentlichen Mitwirkung verabschiedet. Diese startet mit der öffentlichen Informationsveranstaltung am 3. Dezember 2025. Die Mitwirkung dauert vom 4. Dezember 2025 bis am 16. Februar 2026. Während dieser Zeit haben alle Interessierten die Gelegenheit, sich zum Vorhaben zu äussern. Die überarbeitete ZPP basiert auf einem Richtprojekt, das in einem qualitätssichernden Verfahren mit Testplanung, Partizipationsveranstaltungen und Workshopverfahren unter Einbezug eines unabhängigen Fachgremiums, von Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde und der Projektträgerschaft erarbeitet worden ist. Vor dem Gemeinderat hat die Planungskommission das Dossier in drei Lesungen beraten und gutgeheissen.
Nach Abschluss der Mitwirkung wertet der Gemeinderat die Eingaben aus und beurteilt die Vorlage im Lichte der Stellungnahmen nochmals. Danach folgt die kantonale Vorprüfung, die voraussichtlich bis Anfang 2027 dauern wird. Anschliessend wird die Planungsvorlage öffentlich aufgelegt und voraussichtlich Ende 2027 wird das Gemeindeparlament über die Vorlage entscheiden. Der Beschluss des Gemeindeparlaments unterliegt dem fakultativen Referendum. Nach Abschluss des politischen Prozesses wird das Dossier dem Kanton zur Genehmigung eingereicht. Gestützt auf die genehmigte ZPP erarbeitet der Gemeinderat anschliessend für die einzelnen Sektoren schrittweise Überbauungsordnungen und legt sie dem Kanton zur Genehmigung vor. Die Strassenarbeiten starten voraussichtlich 2029 und die Bauarbeiten für die ersten Gebäude 2030.
Dann bleiben die aktuellen Bestimmungen in Kraft. Das Entwicklungsgebiet an bester Lage bleibt ungenutzt und die Industriestrasse kann vorerst nicht an die Bahn verlegt werden. In der Folge ist aufgrund des erhöhten Nachfragedrucks mit noch stärker steigenden Mieten und Grundstückpreisen zu rechnen. Entsteht neuer Wohnraum in umliegenden Gebieten, ist dort mit Mehrverkehr zu rechnen.